Quarz
Pseudomorphosen
Als Pseudomorphose (griech. pseudo = falsch, pseudos = Lüge, Schein; morphe = Gestalt) wird das Auftreten eines Minerals in Gestalt eines anderen Minerals bezeichnet.
Pseudomorphose bezeichnet ein Mineral, das nicht seine typische Eigengestalt (Kristallsystem) zeigt, sondern die äußere Form einer anderen Mineralart angenommen hat. Pseudomorphosen entstehen beispielsweise dadurch, dass zuerst Mineral A in einem Gestein kristallisiert, später weggelöst wird und der Hohlraum durch Mineral B verfüllt wird.
Die Bezeichnung einer Pseudomorphose folgt immer der Regel Pseudomorphose von Mineral B nach A. Ein Quarz, der die Form eines Pyrits hat, wird demnach als "Pseudomorphose von Quarz nach Pyrit" bezeichnet.
Der Begriff "Pseudomorphose" ist ein Überbegriff für:
- Paramorphosen (Umlagerungs- oder Transformations-Pseudomorphosen)
- Entmischung- und Zerfalls-Pseudomorphosen
- Verdrängungs-Pseudomorphosen (inclusive Auffüllungs-Pseudomorphosen)
- Perimorphosen (Ausfüllungs-, bzw. Umhüllungspseudomorphosen, diese Einordnung ist strittig)
Obwohl Entmischungspseudomorphosen und Paramorphosen im Mineralreich recht häufig vorkommen, versteht man allgemein unter dem Begriff "Pseudomorphose" in erster Linie Verdrängungs-Pseudomorphosen (engl. replacement pseudomorphs). Diese entstehen im Raum des Ursprungs-Kristalls durch
- Abgabe von Stoffen
- Aufnahme von Stoffen
- teilweisen oder kompletten Stoffaustausch
Die (vorwiegend) chemischen und physikalischen Bedingungen die zur Bildung von Pseudomorphosen führen sind sehr vielfältig. Allgemein sind zeitlich mehr oder weniger ineinandergreifende Auflösungs- Umwandlungs- und Neukristallisationsvorgänge in wässriger, hydothermaler oder pneumatolytischen Umgebung, manchmal begleitet von Hydration, Oxydation, Reduktion, Carbonatisierung, Silifizierung, Phosphatisierung usw. für die Entstehung von (Verdrängungs-) Pseudomorphosen verantwortlich. Selbst chemisch recht stabile Mineralien, wie etwa Quarz können pseudomorph umgewandelt werden (z.B. Pseudomorphose von Speckstein nach Quarz). Pseudomorphosen sind ein Produkt der Verwitterung von Mineralien.
Eine Pseudomorphose liegt immer dann vor, wenn ein Mineral (wie hier z.B. der Fluorit) unter Beibehaltung seiner äußeren Form durch ein anderes Mineral (hier: Quarz) ersetzt oder in ein anderes Mineral umgewandelt wird. Dann entstehen Truggestalten bzw. Pseudomorphosen. Die Substanz, die die Form ausfüllt würde für sich in einer ganz anderen Form kristallisieren, sie hat die jetztige Form von der früheren Substanz übernommen.
Als Paramophosen werden Umwandlungs- bzw. Transformations-Pseudomorphosen bezeichnet. Paramorphosen entstehen bei polymorphen Substanzen, d.h. bei Elementen oder Verbindungen, die in mehreren Modifikationen vorkommen. Der Kohlenstoff als Element kann beispielsweise als Graphit oder als Diamant in der Natur vorkommen. Als Paramorphose wird z.B. ein hexagonaler Hoch-Quarz bezeichnet, der sich bei einer Temperatur von über 573 °C gebildet hat und bei Abkühlung in die bei Umgebungsbedingungen stabilere Phase des trigonalen Tief-Quarzes umwandelt, ohne die äußere Gestalt des erstgebildeten Hoch-Quarzes zu verlieren. Ein weiteres Beispiel ist eine Paramorphose von Quarz nach Coesit (Coesit wird durch Quarz verdrängt).
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Entmischungs-Pseudomorphosen entstehen durch die Entmischung eines Mischkristalls. Hierbei wird im Allgemeinen ein bei hohen Temperaturen entstandener Mischkristall im Verlaufe einer langsamen Abkühlung entmischt. Es entstehen dabei Entmischungslamellen in einem Wirtskristall. So kann z.B. ein bei 250 °C entstandener Mischkristall (Zn,Cu, Ga)S mit einer Sphalerit-Struktur bei langsamer Abkühlung Gallit-Lamellen CuGaS2 in dem Wirtskristall von Sphalerit ZnS bilden
Verdrängungs-Pseudomorphosen (Infiltrations- oder Substitutionspseudomorphosen; engl.: replacement Ps.) bilden die wohl umfangreichste Gruppe von Pseudomorphosen, die sich nach Strunz noch weiter unterteilen lassen. Hierbei wird der chemische Stoffbestand des Ausgangskristalls durch Abgabe, Aufnahme oder Austausch von Bestandteilen bzw. Austausch des gesamten Stoffbestandes verändert.
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Ein Beispiel für eine Pseudomorphosenbildung durch Aufnahme von Bestandteilen sind die bekannten Talk-Pseudomorphosen der Johanneszeche bei Göpfersgrün im Fichtelgebirge. Talk bildete sich nach Quarzporphyreruptionen durch hydrothermal-metasomatische Prozesse.
Hierbei wurden beispielsweise Quarzkristalle, welche aus verstärkter SiO2-Zufuhr aus granitischen Restlösungen entstanden, durch Thermalwässer gelöst und Magnesium, welches dolomitisierten Marmoren entstammt, in Form von Mg2+-Ionen durch den vorhandenen Dolomit MgCO3 hinzugeführt, aus dem sich dann der Talk in Form von dichtem Speckstein unter einer Schicht von kollomorphen Speckstein (aus Magnesiumsilikat-Gel gebildeter Speckstein) bilden konnte.
Dabei entstanden die schönen Pseudomorphosen, die wohl in fast jeder Mineraliensammlung zu finden sind. Unter dem Mikroskop sind die vielen kleinen Talk-Schüppchen gut zu erkennen, die als Ganzes makroskopisch die Form eines schönen, weißen „Quarzkristalls“ annehmen. Gelegentlich traten nur teilweise umgesetzte Kristalle auf und von manchen Quarzkristallen war nur die Hohlform übrig (RYKART, R.)
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Der deutsche Begriff „Pseudomorphosenquarz“ ist eine Tautologie; das bedeutet, dass dieselbe Sache (derselbe Sachverhalt) mit einem sinngleichen oder sinnverwandten Ausdruck noch einmal gesagt wird. (Pseudomorphosenquaz ist Quarz pseudomorph nach Baryt ist Quarz pseudomorph nach Baryt)
Pseudomorphosen von Quarz nach Baryt sind weltweit von unzähligen Vorkommen bekannt; die best ausgebildetsten stammen von Utah und Colorado (USA), Mexico, Rio Grande do Sul (Brasilien), Maharashtra (Indien), Cavnik (Rumänien), aus dem Atlasgebirge (Marokko) u.v.a.
Deutsche Vorkommen kennt man im Rheinischen Schiefergebirge . Einer der am besten beschriebenen Gänge ist der Pseudomorphosenquarz-Gang von Wiesbaden-Frauenstein - Georgenborn in Hessen mit bis zu 25 m Mächtigkeit und ca. 4 km Länge , welcher zu den bedeutensten Quarzgängen dieser Art im Taunus gehört. Dieser Quarzgang streicht NW-SE, fällt aber steil nach NE ein.
Die Frauensteiner Quarzklippe ist die Füllung einer zwischen der Perm- und Alttertiärzeit mehrfach aufgerissenen Gangspalte in devonischem
Phyllit. Die primär karbonatische, dann spätere barytische Gangfüllung wurde hydrothermal in dichten Quarz umgewandelt, wobei die Einzelkristalle sich gegenseitig den Platz streitig machten. Typisch für den Taunus-Pseudomorphosenquarz ist ein verschachteltes Haufwerk dünnster und oft dm-großer Tafeln ehemaligen Baryts in Stärken von +/- 1 mm.|
Weitere Taunus- Pseudomorphosenquarzgänge gibt es in Usingen, Griedel, Niederselters, Mammolshain, Vockenhausen, Hundstadt, Naurod-Bremthal sowie der Steinfischbach-Oberemser Gang.
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Ein weiteres Beispiel für eine Verdrängungs-Pseudomorphose ist versteinertes Holz (Pseudomorphose von Quarz nach Holz, dessen organisches Material durch Quarz verdrängt wird)
Mehrfach-Pseudomorphosen /Mehrfach-Perimorphosen
Es sind auch Bildungen bekannt, bei welchen mehr als ein Mineral ein anderes verdrängen, bzw. ersetzen kann. Diese Bildungsprozesse können nebeneinander oder nacheinander stattfinden.
Beispiele:
Nacheinander
- Muskowit nach Sillimanit nach Andalusit
- Chrysokoll nach Malachit nach Azurit (Mount Glorious Mine, Mt. Isa, Australien)
Nebeneinander
- Quarz und Turmalin nach Orthoklas (Erongo-Massiv, Namibia)
- Quarz und Fluorit nach Calcit
Perimorphosen sind krustenartige Umwachsungen von größeren Kristallen. Sie werden auch als Umhüllungs-Pseudomorphosen bezeichnet. So können sich beispielsweise kleine Quarzkristalle um einen großen Fluorit-Kristall bilden. Dies wird dann als Perimorphose von Quarz nach Fluorit bezeichnet. Hierbei ist es unerheblich, ob der Fluoritkristall völlig oder teilweise erhalten ist oder vollständig weggelöst wurde. Es kann auch vorkommen, dass der Hohlraum eines weggelösten Kristalls durch eine andere Substanz wieder aufgefüllt und später die Kruste wieder weggelöst wird. Diese Pseudomorphose wird dann als Ausfüllungs-Pseudomorphose bezeichnet. Damit wird deutlich, dass die Bildung von Pseudomorphosen als ein höchst komplizierter Vorgang oftmals rätselhaft ist und sich auch die Entstehungsgeschichte manch einer Pseudomorphose wissenschaftlich nicht eindeutig bestimmen lässt.
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