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Geologische Streifzüge auf Lanzarote und Graciosa

von Dr. Thomas Krassmann, letzte Überarbeitung 2005


1. Einführung
2. Geologie und Vulkanologie von Lanzarote und Graciosa
3. Exkursionspunkte und geologische Wanderungen auf Lanzarote

3.1. Straußeneier bei Orzola
3.2. Exkursionen entlang dem Risco de Famara

Zu den Salinas del Rio und den Lavafällen am Risco de Famara
Durch die tertiären Flutbasalte und quartären Schotter am Famarawesthang
Von Haria zur Ermita de los Nieves
Zu den Galerias im Famaragebirge

3.3. Exkursionen im Gebiet des Monte Corona

Aufstieg zum Zentralkrater
Wanderung durch das Malpais de la Corona
Exkursionen in das Corona - Höhlensystem

3.4. Der Nationalpark Montana del Fuego / Timanfaya

Die "offizielle" Touristentour
Los Hervideros und El Golfo
Der Pahoehoe - Lavastrom bei Tahiche

3.5. Salzgewinnung auf Lanzarote

Salinas del Janubio und Olivinfundstellen
Andere Salinen Lanzarotes

3.6. Tektonik und Zeolithfundstellen um Playa Blanca - Papagayo
3.7. Tuffgruben und Piconkulturen

4. Exkursionspunkte und geologische Wanderungen auf Graciosa

Wanderung zum Vulkan Monte Amarilla
Die Strände Las Conchas und Playa Lambra
Pliozäne und subrezente Fossilien auf Graciosa
Tertiäre Flutbasalte im Famaragebirge

5. Schlusswort
Verwendete Literatur und Karten
Quellangaben
Widmung


1. Einführung

Übersichtskarte von Lanzarote : schwarze Punkte = im Text beschriebene Lokalitäten

Lanzarote und die vorgelagertern Isletas sind die nördlichsten Inseln des kanarischen Archipels mit einer Gesamtfläche von knapp 800 Quadratkilometern. Es sind zugleich jene Kanareninseln, die dem afrikanischen Festland am nähesten liegen. Diese Nähe zur Sahara merkt man sogleich, wenn man die Inseln betritt. Es ist heiß und trocken, die Vegetation ist karg und Niederschläge sind selten. Dennoch - oder vielmehr : gerade deshalb, bietet die Insel für den geologisch interessierten Besucher eine Vielzahl von Eindrücken. Auch wenn Sedimentgesteine selten sind, ao sind die vielfältigen Erscheinungen des Vulkanismus hier besonders gut zu studieren und es gibt in Europa - mit Ausnahme von Island - wohl kein anderes Gebiet, wo auf so engem Raum derart viele verschiedene vulkanische Prozesse und Strukturen beobachtet werden können. Grund genug, im Frühjahr 1994 drei Wochen lang nach Lanzarote zu fliegen und - fernab des Massentourismus mit Leihwagen und Zelt, aber auch Privatquartier - diesen Naturwundern nachzugehen.

Lanzarote wurde wie die anderen Kanareninseln auch zuerst von den Guanchen entdeckt und besiedelt, einem auch heute noch weitgehend rätselhaften Volk, das in zahlreichen unabhängigen Königreichen organisiert war. Die Inseln waren jedoch auch den antiken Völkern bekannt, die die gesamte Kanarengruppe Purpuraria nannten nach dem reichlichen Vorkommen der damals höchst geschätzten Purpurschnecken.

Ab dem 14. Jahrhundert eroberten die Spanier die Inseln. Einer Legende zufolge zerbrach der französischstämmige Ritter Jean de Bethencourt am Strand von Lanzarote vor Freude seine Lanze und schleuderte die Bruchstücke in alle Himmelsrichtungen. Diesem Ereignis, der Lanca rota (= gebrochene Lanze), soll die Insel ihren noch heute gültigen Namen verdanken.

Die spanische Inbesitznahme und die nachfolgende Christianisierung führte rasch zum Untergang der guanchischen Kultur oder vielleicht besser: zu deren Assimilation, denn es haben sich bis heute einige recht typische und nur hier vorkommende Inselbräuche erhalten. So zum Beispiel der Llucha canario, ein mit viel Begeisterung betriebener "nationaler" Ringkampf. Auch die kanarische Küche weist einige interessante Besonderheiten auf, so im Meerwasser gekochte kleine wohlschmeckende Kartoffeln mit einer würzigen Sosse namens "pappas arrugadas con mocho", die man als Besucher nicht missen sollte.

In den folgenden Jahrhunderten gedieh eine zeitweise recht wohlhabende Fischerei- und Bauernkultur, die sich zunächst auf die Gewinnung des in einer einheimischen Flechtenart vorkommenden roten Farbstoffes Orchille spezialisierte. Nach der Eroberung Mittelamerikas durch die Spanier und der Einführung der Opuntia - Kakteen in die Alte Welt wurde die Orchille - Farbgewinnung mehr und mehr durch die Kultur von Cochenille - Schildläusen verdrängt. Dieser Opuntienanbau und die daran anschliessende Gewinnung von Cochenillefarbstoff ist auch heute noch ein bedeutender Wirtschaftszweig auf der Insel, wohingegen der Farbstoff der Orchille - Flechten heute nicht mehr verwendet wird. Daneben spielte seit altersher der Weinanbau und die Salzgewinnung eine größere wirtschaftliche Rolle.

Eine besondere landwirtschaftliche Besonderheit von Lanzarote soll bereits hier angesprochen werden. Die tiefgründige Überdeckung von landwirtschaftlichen Nutzflächen mit schwarzem Tuff, hier "Picon" genannt".Diese Steinmulchung sorgt für eine ungewöhnlich effektive Speicherung von Tau und Nebelnässe, die anschließend langsam wieder an die Pflanzen abgegeben wird. Durch diese Art der Feldbewirtschaftung wird der Anbau verschiedenster Kulturen, so unter anderem Zwiebel, Mais, Kürbis und Kartoffel auch bei sehr niedrigen Regenfällen möglich - ein Beispiel, das sicherlich auch in anderen semiariden Gebieten dieser Welt Anwendung finden könnte.

Während sich in den vergangenen Jahrhunderten die Inselbevälkerung sehr allmählich entwickelte - zeitweise von Vulkanausbrüchen, von denen noch die Rede sein wird, empfindlich gestört - so hat sich auch hier in den letzten Jahrzehnten vieles geändert. Die alten Wirtschaftsstrukturen sind teils zusammengebrochen, teils stark rückläufig. Dafür boomt seit einigen Jahrzehnten der Inseltourismus. Hotelneubau entsteht an Hotelneubau und insbesondere in den drei Tourismuszentren Costa Teguise, Puerto del Carmen und Playa Blanca härt man weit mehr deutsche oder englische Laute als spanische. Und dennoch: dem Naturliebhaber bietet die Insel nach wie vor ebenso einsame wie grandiose Eindrücke und Einblicke. Sei es die speziell im Frühjahr besonders eindrucksvolle Pflanzenwelt mit zahlreichen Endemiten, sei es die über das ganze Jahr gleich faszinierende Welt der Gesteine und Mineralien, sei es die beindruckende vulkanische Landschaft allein....


2. Geologie und Vulkanologie von Lanzarote und Graciosa

Im Gegensatz zu den meisten Mittelmeerinseln bestehen die der Westküste Marokkos vorgelagerten Kanarischen Inseln fast auschließlich aus vulkanischen Gesteinen. Hierbei überwiegen basaltische Ergüsse bei weitem, die jedoch ganz unterschiedlichen Zeitaltern entstammen. Die ältesten Ergußgesteine auf Lanzarote finden sich im Südwesten und Nordosten der Insel. Hier treten in dem imposanten Massiven von Los Ajaches und Famara mehrere hundert Meter mächtige Flutbasalte zu Tage. Insbesondere im Famaramassiv sind diese auch Trappbasalte genannten, wohlgeschichteten Basalt - Tuffitabfolgen mustergültig aufgeschlossen. Das Alter dieser Gesteine liegt bei etwa 16 Millionen Jahre, es handelt sich somit um einen südlichen Ausläufer der speziell im nordeuropäischen Raum (Island, Färöer, Spitzbergen etc.) weitverbreiteten tertiären Flutbasaltdecken.

Nach einer langen Phase vulkanischer Ruhe fand der nächste Eruptionszyklus vor wenigen Millionen Jahren statt. Möglicherweise verbunden mit tektonischen Ereignissen, die den Zentralteil der Insel absinken liessen, bildeten sich hier umfangreiche Vulkanketten aus. Berühmte Einzelvulkane dieser Zeit sind zum Beispiel der Montana Teneza bei Tinajo, der weithin sichtbare rote Vulkan Montana Roja an der Südspitze der Insel bei Playa Blanca und der von einer historischen Burg gekrönte Guanapayberg bei Teguise im zentralen Hochland. Obwohl einige der Vulkane dieses zweiten Eruptionszyklusses gut erhalten sind, wurden die meisten von ihnen bereits weitgehend erodiert.

Die modernen quartären Eruptionszyklen beginnen mit dem wenige tausend Jahre alten Vulkangebirge des Coronamassivs im Norden der Insel. Dieses umfasst neben dem auch heute noch modellhaft ausgebildeten Coronavulkan auch die randlich vorgelagerten Krater Quemada und Quemada de Orzola sowie Los Helechos. Die Hauptmasse der Lava aus diesem subrezenten Vulkangebiet floss Richtung Osten ab und überflutete hier eine Fläche von mehr als 50 Quadratkilometern. Auch heute noch stellt dieses "Malpais de la Corona" genannte Gebiet zwischen Orzola und Arrieta eine landwirtschaftlich kaum nutzbare, vegetationsarme Fläche von bizarrem Reiz dar. Zahlreiche Lavahöhlen befinden sich in diesem Gebiet, von denen die größte eine Länge von über 7 Kilometer erreicht. Zwei kleinere Lavaströme fanden ihren Weg nach Osten und fielen bei Ye und Guinate in einem spektakulären "Feuerfall" etwa 400 m tief über die Steilkante des Famaragebirges hinab ins Meer.

Der jüngste große Eruptionszyklus begann am 1. September 1730 und verwüstete in den folgenden 6 Jahren ein zuvor fruchtbares Gebiet von mehr als 200 Quadratkilometern. Innerhalb dieser Zeit öffneten sich auf engem Raum mehr als 100 Ausbruchskrater, die mit ihren Ascheneruptionmen weite Teile der Insel bedeckten. Dieses Timanfaya oder auch Montana del Fuego (= Feuerberge) genannte Gebiet im Südwesten Lanzarotes stellt seither mit seinen fast vegetationslosen "Mondlandschaften" und seinen zahlreichen verschiedenen Vulkantypen ein vulkanologisches Geotop ersten Ranges dar. Seit 1974 zum Nationalpark erklärt, ist es inzwischen auch zu einem der größten touristischen Attraktionen der Insel geworden.

Nach 12 Jahren Erdbebenaktivität öffneten sich 1824 nochmals drei Krater im Timanfayagebiet und sandten neue Lavaströme aus, die indessen in den seit 1730 unbesiedelten Westen der Insel abflossen. Hierbei kam es zu einem interessanten Phänomen. Gegen Ende der Aktivität förderte der Volcan Nuevo im zentralen Teil von Timanfaya große Mengen von Salzwasser (!) und Wasserdampf. Diese weltweit seltenen "Hydroeruptionen" scheinen auf den Kanaren relativ häufig zu sein, sind doch von Teneriffa und den benachbarten Inseln ähnliche Erscheinungen dokumentiert worden. Der rasch abklingende Eruptionszyklus von 1824 stellt den letzten Vulkanausbruch auf Lanzarote dar. Bis in die nahe Zukunft, denn 300 Grad heiáe Temperaturen in nur wenigen Metern Erdtiefe, wie sie im Timanfayagebiet gemessen werden, machen deutlich, daá weitere Vulkanausbrüche durchaus wahrscheinlich sind. So zeigt sich gerade am Beispiel Lanzarote, daß ein seit Millionen Jahren erloschenes Vulkangebiet an praktisch gleicher Stelle durch hierfür günstige geodynamische Prozesse reaktiviert werden kann.

Die vulkanologische Entwicklung der kleineren Nachbarinsel Graciosa verlief weit weniger vielfältig. Über das Alter der Vulkane hier ist bisher offensichtlich wenig bekannt, jedoch handelt es sich nach dem vorhandenen Erosionsniveau um subrezente, wohl einige tausend Jahre alte Vulkankegel, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe vielleicht zeitgleich mit der Coronagruppe auf Lanzarote entstanden.

Auch wenn Sedimentgesteine auf Lanzarote und Graciosa weitgehend fehlen, so gibt es doch gerade im Bereich der Lockersedimente einige interessante Bildungen. Hierzu gehören die teilweise gefritteten roten Paläoböden im Famaramassiv, die besonders im Raum Orzola durch die in ihnen enthaltenen Straußeneierschalen bekannt wurden. Ebenfalls Erwähnung verdienen die quartären Flugsande und Kalkpfannenbildungen auf Graciosa mit ihren interessanten marinen und terrestrischen Fossilbestand

Weiter zu Exkursionspunkte und geologische Wanderungen auf Lanzarote


Literatur

  • BARREIRO, E. & DIAZ, A. (1993) : Lanzarote - geographische und vulkanische Karte 1 : 100.000 - Verlag A. Murillo, Arrecife 1993
  • BETZ, V. (1986) : Zeolithe von Lanzarote - Lapis ,11, Heft 6, S. 21 - 23, München 1986
  • FARR, M. (1992) : Höhlentauchen - 279 Seiten, Müller Rüschlikon Verlags AG, Cham 1992
  • ROTHE, P. (1964) : Fossile Straußeneier auf Lanzarote - Natur und Museum ,94, Heft 5, Frankfurt 1964
  • STROMER, K. (1994) : Lanzarote selbst entdecken - Regenbogen Reiseführer, Zürich 1994

Quellenangaben

  • Dr. Thomas Krassmann (giantcrystal) / Erstveröffentlichung : AUFSCHLUSS Heft 5/6 1995

Widmung

Der Beitrag "Geologische Streifzüge auf Lanzarote und Graciosa" von Dr. Thomas Krassmann ist seiner Frau gewidmet.

"Für meine Frau Ute, die heute, am 23. Januar 2002 38 Jahre alt geworden wäre und für die dieser gemeinsame Urlaub" der schönste war, den sie je hatte..."


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